Glücklich, allein zu sein

     


    Mit spitzer Feder …


    (Bild: zVg)

    Je älter ich werde, desto mehr gefällt es mir, alleine zu sein. Ich habe mich in Beziehungen immer zu sehr angepasst und dabei zu oft meine eigene Grenze überschritten. Ein fataler Fehler, der mir nie mehr passiert. Jetzt bin ich seit ein paar Jahren Single und geniesse die Zeit mit mir in vollen Zügen. Ich habe mich selbst gefunden, bin endlich angekommen und somit in meiner Balance. Niemand stört meine Energieflüsse – was bei mir als hochsensibler Mensch entscheidend für eine gute Lebensqualität ist. Ich gehe Kaffee trinken, besuche ein Museum, mache Ausflüge oder esse in einem Restaurant zu Mittag oder zu Abend. Nichts davon beschert mir ein ungutes Gefühl. Ganz im Gegenteil: Ich gehe gerne allein ins Kino, ins Konzert oder ins Theater und wohne am allerliebsten ohne Mitbewohnerin und ohne Mitbewohner. Allein. Sogar ein Haustier ist mir zu viel – diese Verantwortung will ich (momentan) nicht mehr.

    Ich liebe es, alleine unterwegs zu sein und wie eine einsame Berglöwin durch die Wildnis zu streifen. Wenn ich ohne Begleitung unterwegs bin, will ich meistens gar nicht angesprochen werden, sondern bevorzuge die Fortsetzung meiner selbst gewählten Tätigkeit. Ich höre dabei gerne anderen zu, denke nach, beobachte oder beschäftige mich mit mir selbst. Oftmals erhole ich mich so von meinem intensiven Sozialleben im Büro und bei meiner Familie, respektive meinem älteren Vater. Ich geniesse es, Zeit für mich zu haben, ohne dabei zu Hause zu sein. Ich bin gerne draussen, dort, wo etwas passiert, wo sich andere treffen. Deswegen gehe ich gerne allein aus – besonders an Orte, wo mich niemand kennt.

    Klar, gibt es Situationen, in denen das Single-Dasein suboptimal ist, wie beispielsweise beim Brotkaufen. Zwischen Gipfeli und Mini-Bürli und halbkiloschwerem Brotmocken steht ja kein wirkliches Brot für den Single-Haushalt zur Auswahl. Es sind diese klitzekleinen Dinge im Alltag, die manchmal etwas Nerven kosten. Letztens mühte ich mich minutenlang damit ab, den Reissverschluss meines Kleides am Rücken irgendwie zu öffnen. Zwei Pausen legte ich ein, so anstrengend war das. Meistens schaffe es ich es – ansonsten habe ich keinen Skrupel, auf der Strassen den ersten Menschen, der mir über den Weg läuft, darum zu bitten.

    Es gibt Menschen, die quält mein Beziehungsstatus viel mehr als mich selbst. Die geben mir das Gefühl, etwas stimme nicht mit mir. Sie empfehlen mir immer wieder mal, mich auf einer Online-Datingplattform anzumelden. Für mich wäre dies Stress pur. Sie sehen nicht, dass es auch eine Freiheit – ja geradezu ein Privileg ist – sich nicht um andere sorgen zu müssen, respektive niemanden umsorgen zu müssen ausser sich selbst. Ich habe zudem das Gefühl, viele Menschen haben Angst vor dem Alleinsein und trennen sich deshalb nicht. Lieber zahlen sie den hohen Preis und verharren in einer unglücklichen, nicht selten toxischen Beziehung. Entweder realisieren sie es nicht oder wollen es nicht realisieren, oder haben ganz einfach nicht die Kraft oder den Mut auszubrechen. Aber das sollte man unbedingt aufbringen, wenn es nicht mehr stimmt. Man hat nur ein Leben und nicht unbegrenzt Zeit.

    Dass ich keine Kinder will, wusste ich schon immer. Und so habe ich auch nie jemanden zum Nestbau gesucht. Wir werden in unserer Gesellschaft so stark dahingehend sozialisiert, dass wir nach der zweiten Hälfte suchen müssen. Uns wird in Filmen und Bücher vermittelt, erst glücklich zu sein, wenn wir das passende Gegenüber gefunden haben. Ich musste erst lernen, dass es noch andere Lebensformen gibt und es ok ist, wenn man alleine lebt. Erst als ich akzeptierte, dass ich gar niemanden brauche und so mit meinem Singleleben im Reinen war, konnte ich mein Leben frei und glücklich ganz nach dem Motto «follow your dreams, not your boyfriends» gestalten. Zudem – das eigene Ich findet man in der Einsamkeit!

    Apropos – für alle (Männer), die nun ihre Chance gewittert haben, lasst es lieber gleich. Es gibt einen Korb, denn alles ist gut. Ich möchte weiter frei und unabhängig meinen Weg beschreiten, durchs Leben tanzen und lachen – allein.

    Herzlichst,
    Ihre Corinne Remund
    Verlagsredaktorin

    Vorheriger Artikel«Man muss Menschen gernhaben»
    Nächster Artikel«Wir geben Vollgas, wenn der Rahmen stimmt!»