Mit der Weisheit unterwegs

     


    Mit spitzer Feder …


    (Bild: zVg)

    Weisheit – ein grosses Wort in der Geschichte der Kulturen und Völker. Ein wichtiges Wort auch in unseren Tagen – gerade, wenn ich beispielsweise an den Ukrainekrieg oder den Nahostkonflikt denke. Philosophen beschäftigen sich schon seit Jahrhunderten mit der Weisheit. Weisheit hat mit Sein, mit Haben und mit vielen anderen Elementen zu tun, die uns ausmachen oder zerstören. Der Begriff Weisheit steht für Klugheit, Lebenserfahrung und Einsicht in Zusammenhänge. Das ist ein langer Prozess und vielleicht auch der Grund, warum wir älteren Menschen häufiger Weisheit nachsagen als den Jüngeren. Ich bin schon lange in diesem Prozess und unterwegs zur Weisheit. Dies ist eines der grössten Abenteuer meines Lebens. Weisheit fällt einem nicht einfach so in den Schoss. Weise zu handeln ist meines Erachtens ein lebenslanger Prozess, der mit Erfahrung als Kind beginnt und so quasi auf dem Totenbett endet. Und dazwischen ist es ein ständiges Lernen, Weiterentwickeln, Ausprobieren, Fehlermachen, sich Optimieren und ganz viel Herzensarbeit. Denn, wer weise ist, besitzt ein hörendes Herz – und kann stets Gutes von Bösem unterscheiden. Um weise zu handeln, ist es nicht nötig, einen hohen Intelligenzquotienten (IQ) zu haben, aber es ist notwendig, eine gewisse Neigung zum Guten und zur Güte zu zeigen.

    Für mich gehört zur Weisheit ein stilles, unvoreingenommenes Beobachten, anstatt gleich seine Meinung kundzutun. Und dann im richtigen Moment zu reagieren. Das scheint mir ein guter Weg in Richtung Weisheit zu sein, den wir alle gehen können. Vor allem viel unserer Entscheidungsträgerinnen und -träger in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft sollten sich dies auf die Fahne schreiben. Oftmals wird zu wenig zugehört und sofort verbal sein Territorium markiert, es wird voreilig gewertet, verurteil und gehandelt. Das Resultat respektive die Lösung ist dementsprechend für die Mehrheit unbefriedigend und die Weisheit – tja, die Weisheit bleibt irgendwo auf der Strecke. Wie hiess es doch als ich ein Kind war: «Zuerst denken und dann reden». Dies habe ich mir von Klein auf verinnerlicht, ebenso wie anderen Menschen zu zuhören, bis sie fertig erzählt haben und sie nicht zu unterbrechen. Obwohl ich eine Schnelldenkerin bin und immer und überall tausende von Gedanken durch meine Hinströme jagen, die dann blitzschnell zusammen mit Eindrücken, Emotionen, Empfindungen verarbeitet werden, äussere ich mich immer sehr bedacht in einer Runde. Wie wenn man zuerst das Eis auf einem gefrorenen See mit dem Fuss sachte antippt und schaut, ob es einem dann trägt. Worte können weh tun, verletzen und je nach dem einen immensen Kollateralschaden verursachen – zurücknehmen können wir sie nicht mehr. Da bleibt immer etwas haften. Deshalb ist es weise, bedacht mit der Macht der Wörter, der Sprache und der Kommunikation umzugehen.

    Weise zu handeln, ist für mich auch immer ein Balanceakt zwischen Bauchgefühl, Intuition, Empathie und Pragmatismus. Wenn man sein Gegenüber spürt, energetisch und emotional erfasst, ist es etwas einfacher, weise zu handeln. Wenn man weise handeln möchte, muss man ein tiefes, einfühlsames und fürsorgliches Bewusstsein entwickeln. Weisheit bedeutet, einen offenen, zugänglichen Charakter sowie eine hoffnungsvolle, entschlossene und inspirierende Einstellung zu haben. Menschen, die weise handeln, sind neugierig und erkundungsfreudig. Sie zeichnen sich durch ihren offenen Geist und ihre Lernfreude aus. Um weise zu handeln, müssen persönliche Interessen zurückgestellt werden. Intelligente Menschen konzentrieren sich oft auf ihren eigenen Erfolg – weise Menschen denken an die Bedürfnisse anderer. Die Werte von Weisen sind edel und es wird daher kaum die Grenze überschritten, die auf der anderen Seite des Guten liegt. Eine zentrale Fähigkeit, über welche weise Menschen verfügen, ist die Selbstreflektion: Diese Fähigkeit, jedes Ereignis zu bewerten, über die eigenen Handlungen und Entscheidungen nachzudenken, ermöglicht es uns, unsere eigenen Erfahrungen als Lehrmeister mitzunehmen. Weise Menschen wissen, dass Höhen und Tiefen, Misserfolge und Verluste genauso zum Alltag gehören wie Erfolge und Gewinne. Ich glaube, Weisheit ist die wichtigste psychologische Kompetenz, die gerade jetzt gefragter denn je ist, um besser auf eine krisenhafte, unsichere und sich verändernde Welt zu reagieren.

    Herzlichst,
    Ihre Corinne Remund
    Verlagsredaktorin

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